Reformation und Islam
28. Juni, 2016 von
Ich habe kürzlich das Impulspapier „Reformation und Islam“
der Konferenz für Islamfragen der EKD gelesen. Ein echtes Leseerlebnis.
Wer wissen will, wie es um weite Kreise innerhalb der Evangelischen
Kirchen bestellt ist, sollte sich diese Erfahrung gönnen. Es ist kein
Vergnügen.
Nun gäbe es sehr viel über das Impulspapier zu sagen. Auffällig
beispielsweise gleich zum Einstieg die für die Kulturwissenschaften
bezeichnende (therapeutische) Sprache, die gewählt wurde, um die
Empfindungen derer zu beschreiben, die sich mit der Frage befassten, ob
wohl bald auch Wien an die Türken fallen werde. „Zur Zeit Luthers sah
Europa sich militärisch und politisch vom expandierenden Osmanischen
Reich bedrängt.“ Die Betonung liegt auf „sie sahen es so“.
Konstantinopel war 1453 gefallen und die Türken waren auf dem Vormarsch
nach Europa. „Man nahm sie wahr als die Anderen und Fremden, als die
bedrohliche Macht aus dem Südosten“ (S. 7).
Aber lassen wir das. Wenden wir uns einer Argumentationsfigur zu, die
heutzutage oft zu finden ist. Es geht um das „sowohl als auch“. Auf S.
24 wird das Argument sehr anschaulich entfaltet.
Zunächst heißt es:
Die anhand der Rechtfertigungslehre vor 500 Jahren gewonnenen zentralen Einsichten reformatorischer Theologie können heute in fünf Kernpunkten zusammengefasst werden: solus Christus – allein Christus, sola gratia – allein aus Gnade, solo verbo – allein im Wort, sola scriptura, – allein aufgrund der Schrift und sola fide – allein durch den Glauben.
Das klingt doch gut. Aber dann geht es weiter. Ungefähr so: So schön
diese Einsichten auch waren und vielleicht noch sind. Es gibt ein großes
Problem! Die Reformatoren haben es damals tatsächlich so gemeint, wie
sie es geschrieben haben. Oder anders formuliert: Das Problem ist, dass
mit dem „allein Christus“ die Vorstellung verbunden wurde und auch heute
noch verbunden werden kann, dass außerhalb von Christus niemand das
Heil findet. Wir müssen so von Christus sprechen lernen, dass die
Heilsversprechen anderer Religionen nicht deklassiert werden.
Bezugnehmend auf den EKD-Grundtext „Rechtfertigung und Freiheit“ heißt das (S. 25):
Die Herausforderung besteht darin, von Christus zu sprechen, aber so, dass dabei nicht der Glaube des anderen abgewertet oder für unwahr erklärt wird. So wie für den Christen das Gehören zu Christus der einzige Trost im Leben und im Sterben ist, so ja auch für den Anhänger der anderen Religion sein spezifischer Glaube. Dies darf auf beiden Seiten des Gespräches anerkannt werden.
Die Reformatoren waren also damals der (heute!) ungeheuerlich Vorstellung
aufgesessen, es handele sich bei der muslimischen Religion um eine
Irrlehre. Heute haben wir, bedingt durch geistesgeschichtliche
Entwicklungen, den Glauben, der zwischen wahren und falschen Lehren
unterscheidet, glücklicherweise überwunden. Wenn also beispielsweise
Petrus vor knapp 2000 Jahren der Meinung war, dass Jesus Christus der
Eckstein ist und in keinem anderen als in diesem Namen unsere Rettung zu
finden ist (vgl. Apg 4,11–12), dann hatte er zwar recht. Er übersah
allerdings (falls er es überhaupt so gesagt hat), dass dies nicht so zu
verstehen ist, als ob allein Jesus retten kann.
Das sei ihm aber verziehen. Schließlich kannte er die dialogischen Ansätze, die uns heute zur Verfügung stehen, noch nicht.
Kyrie eleison
Theo-Blog
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