Warum es Afrikaner nervt, wenn alle sie retten wollen
von Volker Seitz
Paul Theroux hat geschrieben, dass Afrika „wie ein Magnet Mythomanen
anzieht, Menschen, die die Welt von ihrem persönlichen Wert überzeugen
wollen“ und " Besonders weiße Prominente, die sich in Afrika grosstun,
lauern an allen Ecken und Enden.
Sein Schriftstellerkollege Binyavanga Wainaina aus Kenia schreibt:
„Die Mieten in Nairobi sind jetzt so hoch wie in Europa. Sie dienen den
zehntausend Kenialiebenden Leuten, die mit Kenialiebenden Projekten
Kenianer und andere von ihrem Elend befreien wollen“ und weiter „Niemand
wirklich, hat bisher gesehen, wie die Massai durch Tausende und
Abertausende an Projekten reich oder nur gesund geworden sind. Aber die
Massai können sich sicher sein, dass sie geliebt werden“.
Jean-Claude Shanda Tonme, Journalist aus Kamerun kritisiert westliche
Helfer in der New York Times: «Mit ihrer Bereitschaft, in unserem Namen
Lösungen vorzuschlagen, halten sie uns immer noch für Kinder, die sie
retten müssen.» „Es gibt viele Leute, die versuchen, den Status quo in
Afrika beizubehalten, da sie sonst ihre Daseinsberechtigung verlieren“,
meint der ugandische Journalist Andrew Mwenda.
Eine TV-Satire in Kenia zieht den Jargon der Weltverbesserer durch den Kakao
Nachdem schon zahlreiche Afrikaner den Nutzen vieler
Entwicklungsprojekte angezweifelt haben, wurde dieses Tabu endlich auch
von der Unterhaltungsindustrie aufgegriffen. Eine TV-Satire in Kenia
zieht den Jargon der Weltverbesserer und den naiven Idealismus durch den
Kakao. Es geht bei „Aid to Aid“ um das Helfen um des Helfens willen,
sonst um nichts.
Afrikaner als Mündel zu betrachten - ist die unausgesprochene
Geschäftsgrundlage der allermeisten „Entwicklungshilfe-Projekte“.Die
Liste der afrikanischen Kritiker klassischer Entwicklungshilfe ist in
den letzten Jahren ständig gestiegen. Die immer wieder apostrophierte
Augenhöhe zwischen Afrika und uns kennen die meisten Entwicklungshelfer
nur aus den einschlägigen Fachgazetten. Zu den schärfsten Kritikern
gehören Afrikaner wie der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole
Soyinka, Moeletsi Mbeki südafrikanischer Medien-Manager und
Wirtschaftsjournalist, die Publizistin Akua Djanie aus Ghana, der
nigerianische Querdenker Chika Onyeani („Capitalist Nigger“) sowie der
ghanaische Wirtschaftswissenschaftler George Ayittey. Sie wenden sich
gegen eine abhängige Opfer-und Bittstellerrolle.
Axelle Kabou kritisierte bereits Anfang der neunziger Jahre die
Entwicklungshilfe-Industrie in ihrem Bestseller «Weder arm noch
ohnmächtig» Die Ökonomin aus Kamerun war lange selbst im Business der
Barmherzigkeit.
Marshallpläne ohne erkennbares Ergebnis
Afrikas Problem ist nicht ein Mangel an Geld meinen afrikanische
Intellektuelle wie Francis Kpatindé, James Shikwati oder Axelle Kabou.
Der bedeutende ghanaische Wirtschaftswissenschaftler G. Ayittey, der in
Washington lehrt, hat ausgerechnet, dass seit 1960 die Summe von sechs
Marshallplänen nach Afrika gepumpt wurde „ohne erkennbares Ergebnis“.
Dambisa Moyo aus Sambia spricht für viele, wenn sie sagt: „Einer der
bedrückenden Aspekte des ganzen Hilfsfiaskos ist, dass Geber, Politiker,
Regierungen, Akademiker, Wirtschaftswissenschaftler und
Entwicklungsexperten im tiefsten Herzen wissen, dass Entwicklungshilfe
nicht funktioniert, nicht funktioniert hat und nicht funktionieren
wird“. Themba Sono, Wirtschaftswissenschaftler aus Südafrika, fürchtet,
dass sich an der Entwicklungshilfe nichts ändert,„solange die großen
Länder in Europa und anderswo selbst die Bedeutung der Entwicklungshilfe
betonen“.
Der Kenianer Michael Otieno Oloo von „Tax Justice Africa“ fordert ein
radikales Umdenken. Statt Entwicklungshilfe zu leisten, sollte Europa
lieber seine Steuerschlupflöcher schließen. Dies würde den afrikanischen
Staaten wirklich helfen. Er fordert: „Schafft die Schlupflöcher und die
ungerechte Behandlung von globalen Konzernen ab, fördert ein System der
fairen Besteuerung und ihr könnt euch eure Entwicklungshilfe eigentlich
sparen.“ Er argumentiert, dass die Summe, die Entwicklungsländern durch
illegale Finanzströme und Steuerflucht vorenthalten wird, viel höher
sei als die Mittel, die diese Staaten jährlich durch großzügige
Entwicklungshilfe erhalten.
Man muss den Afrikanern nicht helfen, es würde reichen sie in Ruhe zu lassen
„Man muss den Afrikanern nicht helfen, weil sie ja ach so arm sind.
Es würde schon reichen, wenn man sie in Ruhe lässt.
Entwicklungshilfeorganisationen haben in vielen Fällen das freie
Unternehmertum zerstört und Afrikaner zu Bettlern gemacht. Wer braucht
schon 20-jährige Freiwillige, die beim Brunnen graben helfen. Haben die
schon jemals einen Brunnen in ihrer Heimat gegraben? Die wissen nicht
einmal, wie ein Brunnen ausschaut.“ sagte kürzlich Jean-Marie Téno
Filmemacher aus Kamerun. „Entwicklungshelfer halten politische und
korrupte Systeme aufrecht, es ist eine Form des Spätkolonialismus“,
meint der Autor und Regisseur Aristide Tarnagda aus Burkina Faso.
Entwicklungspolitiker wollen dies nicht hören und haben nichts
hinzugelernt, denn die Armutsbekämpfung in Afrika hat nur rudimentäre
Fortschritte erzielt. Den meisten Afrikanern südlich der Sahara geht es
heute schlechter als am Ende der Kolonialzeit.
„Gut gemeint“ ist bekanntlich meist das Gegenteil von gut gemacht.
Warum nehmen wir solche Kritik nicht ernst? Echte Reformen beginnen
Selbstkritik und Reflexion, auch wenn dies unsere Politiker nicht gerne
hören. Ich kann nur empfehlen, mit den kritischen Afrikanern statt mit
Popstars zu diskutieren.
Mit Bono, Geldof und Grönemeyer ist die Entwicklungshilfe ein Teil
der Unterhaltungsindustrie geworden. Sie spielen sich als Sprecher für
Afrika auf und werden auch häufig von Regierungschefs eingeladen. Ich
kenne einige Afrikaner, die die Vorschläge der Popstars amüsiert
betrachten, weil diese eine poetische Vorstellungskraft verraten, die
sich souverän über alle Tatsachen hinwegsetzt. So haben sie in einem
Moment des Übermuts den „Verein zur Abwehr der Überschätzung von
Prominentenbesuchen in Elendsvierteln“ gegründet.
Volker Seitz war 17 Jahre als Diplomat in Afrika tätig. Sein Buch "Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann" erschien 2014 bei dtv in 7. überarbeiteter und erweiterter Auflage.
Achse des Guten
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