Rechte sind die neuen Juden:
In der FAZ stürmert’s
April 11, 2016
Doktortitel für Juden. Wenn der Professor das arische Auge zudrückt. An der Universität Greifswald wurde ein Jude promoviert. Wusste der Professor davon? Seine eigene Vita lässt an einem Versehen zweifeln, hatte der Professor doch schon in der Vergangenheit Kontakt mit Juden.
So kann man sich Zeitungstexte vorstellen, die nach der
Machtergreifung der Nazis in den Zeitungen des Deutschen Reiches
erschienen sind, in denen sich die Journalisten gegenseitig mit
Bücklingen und Anbiederungsversuchen an die neuen Machthaber überboten
haben. Wer es nicht glaubt, der kann sich jederzeit in dem umfangreichen
Werk von Ian Kershaw und vor allem in dessen Auswertungen der
entsprechenden Gestapo-Dokumente für Würzburg kundig machen.
Heute sind bei Zeitungen natürlich keine Anbiederer und Bücklinge zu finden, denn heute leben wir in einer Demokratie. Deshalb liest sich Faschismus heute wie folgt:
“Doktortitel für Nazi. Wenn der Professor das rechte Auge zudrückt. An der Universität Greifswald wurde ein Jurist promoviert, der zuvor Sänger einer rechtsradikalen Band war. Wusste der Professor davon? Seine eigene Vita lässt an einem Versehen zweifeln.”
Jochen Zenthöfer ist für diesen Text in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verantwortlich,
der sich nur graduell von Texten unterscheiden, die man auch im Stürmer
von Julius Streicher hätte finden können. In diesem bemerkenswerten
Dokument der in Deutschland immer weiter um sich greifenden
Rechtsphobie, die mit einem Verlust rudimentärer kognitiver Funktionen
einhergeht, reiht Zenthöfer nicht nur einen logischen Fehlschluss an den
nächsten, er denunziert den von ihm namentlich genannten Professor
Ralph Weber als zumindest Freund, wenn nicht Förderer von Nazis (früher
wäre Weber wohl als Judenfreund beschimpft worden) und legt
Universitäten nahe, Doktortitel nur noch nach einer Prüfung der
Gesinnung des Doktoranden zu vergeben.
Deutschland 2016 oder Deutschland 1933?
Der Reihe nach.
Zenthöfer echauffiert sich darüber, dass ein 1984 geborener Promovend
an der Universität Greifswald einen Doktortitel erhalten hat, der einst
bei “Hassgesang” Texte von sich gegeben hat, die, was den Sinn der
darin verbreiteten Inhalte angeht, von dem, was man ansonsten aus Radios
zugemutet bekommt, wenig abweichen. Aber Hassgesang zählt als
Neonazi-Band, und deshalb ist der Unsinn in Textform von Hassgesang ein
anderer Unsinn als z.B. der Unsinn, den “die Siffer” so von sich geben.
Überhaupt scheint der Rechten-Hype, den Parteien, Politiker und von
Steuerzahlern finanzierte Institutionen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung
verbreiten, in Deutschland eine geistige Pogrom-Stimmung geschaffen zu
haben, die es Journalisten, die gerne ihr Fähnchen in den Wind hängen,
angeraten erscheinen lässt, sich auf die Seite der vermeintlich Guten zu
schlagen und sich als Kämpfer gegen die bösen Rechten zu profilieren.
Die bösen Rechten, die Jochen Zenthöfer bekämpft, sie finden sich in
Person des bereits genannten “Mannes”, von dem Zenthöfer nicht weiß, ob
er das Gedankengut, das den Text seiner Lieder ausgemacht hat, noch
teilt. Der Mann ist natürlich Maik Bunzel, der schon vor Jahren durch linke Netzwerke getrieben wurde, weil er eine Stelle als Proberichter am Amtsgericht Lichtenfels angetreten hatte.
Promoviert wurde Bunzel im Februar 2016:
Ihm gilt jedoch nicht die Aufmerksamkeit von Zenthöfer. Er ist
vielmehr damit beschäftigt, den Professor, der Bunzel promoviert hat,
öffentlich zu diffamieren, namentlich. Die Verfehlungen des Professor
Ralph Weber von der Universität Greifswald, die Zenthöfer auflistet,
sind die folgenden:
- Weber hat gegen den Ausschluss von zwei NPD-Kandidaten von der Landratswahl 2008 protestiert – auf den Briefbögen der Universität Greifswald.
- Weber hat gegen das Verbot der Kleidung der Marke “Thor Steinar” auf dem Campus der Uni Greifswald protestiert.
- Weber hat der ‘Jungen Freiheit’ ein Interview gegeben.
- Weber hat vor Deutschen Burschenschaftlern einen Vortrag gehalten.
- Weber kandidiert für die AfD bei den Landtageswahlen in Mecklenburg-Vorpommern.
- Und natürlich: Weber hat Maik Bunzel, ehemals bei Hassgesang, promoviert.
Das sind gravierende Verfehlungen, wenn man die sehr enge Weltsicht
von Zenthöfer teilt. Es ist mit Ausnahme des unter 1 genannten Vorfalls
nicht der Rede wert, wenn man sich demokratischen Verfahrensweisen
verpflichtet fühlt. Dass der Professor eine private Stellungnahme auf
Papier der Universität Greifswald schreibt, vermutlich, um im
titelgläubigen Deutschland seinen Ausführungen mit dem Briefkopf mehr
Gewicht zu verleihen. ist ein Missbrauch seines Amtes, aber nichts
Ungewöhnliches. Gerade in linken Netzwerken sollte das bekannt sein, da
entsprechende Professoren regelmäßig mit ihrer Dienstbezeichnung offene
Briefe unterschreiben.
Ansonsten sind die Anklagepunkte nur ein Zeugnis für die
intellektuelle Öde, in der Zenthöfer leben muss. In dieser Öde gibt es
nicht einmal eine Vorstellung davon, was ein Fehlschluss ad hominem ist.
Dieser Fehlschluss liegt vor, wenn man das, was jemand sagt oder
schreibt, wegen eines Merkmals, das in dessen Person begründet ist,
ablehnt, sich also mit dem Gesagten gar nicht auseinandersetzt. Man kann
den heute so beliebten Fehlschluss ad hominem auch als Rassismus der
Gutmenschen bezeichnen, denken doch Personen wie Zenthöfer, es reiche
aus, Nazi zu schreien, um Argumente vom Tisch zu wischen.
Das tut es aber nicht. Schon gar nicht an Universitäten. An
Universitäten zählt die Leistung eines Studenten oder Promovenden, nicht
seine Gesinnung. Bei Zeitungen, bei der FAZ mag dies anders sein, dort
mag ein Journalist wegen seiner Gesinnung eingestellt oder entlassen
werden. An Universitäten zählen nur Kenntnisse, Wissen und Fähigkeiten
dessen, der sich z.B. als Doktor der Rechtswissenschaft qualifizieren
will.
Insofern müsste man Ralph Weber eigentlich ein Denkmal setzen, denn
er hält die Rationalität in einem Sumpf von Unsinn und Idiotie hoch und
besteht darauf, dass die Leistung und nicht die Gesinnung an
Universitäten bewertet wird. Das wiederum findet Zenthöfer nicht in
Ordnung, und er wirbt ganz offen dafür, dass Universitäten ihre
Promovenden nach Gesinnung aussuchen und Doktoranden, die zwar fachlich
geeignet sind, die aber die falsche Gesinnung mitbringen, ablehnen, so
wie das schon im Dritten Reich und in der DDR praktiziert wurde. Auf
einen solchen Vorschlag muss man erst einmal kommen. Er ist nicht
unbedingt naheliegend, macht aber deutlich, warum der Journalismus in
Deutschland derzeit einen Niedergang erlebt: Offensichtlich wird nach
Gesinnung ausgewählt und nicht nach Fähigkeit.
Das
jämmerlichste Bild in dieser Geschichte aus 1933 oder 2016 liefert
jedoch die Universität Greifswald ab, die sich – wohl auf Anfrage von
Zenthöfer, “entsetzt zeigt”, dass sie (wer auch immer) „nun im Zuge
einer Presseanfrage zur Kenntnis nehmen muss, dass kürzlich an der
Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ein medizinrechtliches
Promotionsverfahren von einer Person abgeschlossen wurde, der laut
Medienberichten rechtsextreme Äußerungen zugeschrieben werden …“. So
ähnlich müssen sich Universitäten bzw. deren Verantwortliche im Jahre
1933 an die NSDAP angebiedert haben und so ähnlich werden sie im Dritten
Reich die Sache der Wissenschaft verraten haben.
Hannah Arendts Banalität des Bösen, sie ist hier in Aktion zu
bestaunen und dabei wird klar, dass es nicht Druck oder Zwang durch die
Nazis waren, die z.B. deutsche Hochschulen in den Gleichschritt mit SA
und SS gebracht haben, sondern deren Lust sich anzubiedern, die wiederum
aus einer Rückgratlosigkeit gepaart mit intellektuellen Defiziten
gespeist wird, die die Idee von Wissenschaft und den Zweck von
Hochschulen hinter das eigene Bemühen, sich an die Machthaber
anzubiedern, um dann, wenn der Lynchmob wieder gegen diejenigen
loszieht, die gerade als falsch angesehen werden, gegen die heutigen
Juden, auf der richtigen Seite zu stehen.
Wer das Buch von Richard J. Evans, „The Third Reich in Power“ und
darin Kapitel 3 „Struggle Against the Intellect“ kennt, der hat ein Deja
vu und weiß wirklich nicht mehr zu sagen, ob er 1933 oder 2016 lebt.
Die Herrschaft von Faschisten zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass Gesinnung ein Kriterium des gesellschaftlichen Aufstiegs ist.
Wenn Zenthöfer fordert, den Zugang zu akademischen Titeln von der Gesinnung abhängig zu machen, offenbart er sich in gleicher Weise als Faschist, wie all diejenigen, die denken, man könne fachliche Qualifikation durch den Ruf “Nazi” in Abrede stellen.
Science files
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