Samstag, 9. April 2016

"näher zu Gott"

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Gute Oasen, böse Oasen


Warum jetzt ausgerechnet Panama ins Visier kommt, wieso Konzerne weiter schummeln dürfen, und wie der Staat bei uns zuschlägt / 

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

09.04.16

Im Kinoklassiker „Arsen und Spitzenhäubchen“ bringen zwei reizende Tanten aus purem Mitgefühl einsame alte Männer um. Unter dem Vorwand, ein Zimmer zu vermieten, locken sie die Herren in ihr Haus und reichen ihnen ein Glas voll Wein, den sie mit Arsen, Strychnin und Zyankali gewürzt haben, um den armen Tropf „Gott näher zu bringen“, wie sie sagen.

Zur Entsorgung der Leiche ist ihnen etwas Besonderes eingefallen. Sie lassen ihren geisteskranken Neffen Teddy im Keller Löcher ausheben. Teddy hält sich für den verstorbenen US-Präsidenten Theodore Roosevelt und meint, dort unten den Panama-Kanal zu bauen. Die Tanten machen ihn glauben, die alten Männer seien am ansteckenden Gelbfieber verendet, woraufhin er sie in aller Eile unterm Kellerboden verscharrt.

Das Stück, das zunächst an einem New Yorker Theater erfolgreich war, kam als Film während des Zweiten Weltkriegs in die US-Kinos. Er sollte die Amerikaner sicherlich auch von den Schrecken des Krieges ablenken. 

Jahrzehnte später erfahren wir zu unserer erheblichen Empörung, dass Tausende wohlhabender Leute tatsächlich einen „Panama-Kanal“ betreiben, in dem sie ihre anrüchigen Steuerleichen verbuddeln. Die Nachricht über die aufgedeckten „Panama-Papiere“ vergiftet die Stimmung wie der Wein der beiden Tanten deren Opfer.

Da haben wir’s wieder: Die am ansteckenden Geld-Fieber erkrankten Reichen schaffen ihre Moneten schadlos außer Landes, derweil uns Kleine der Fiskus rabiat ausnehmen kann. Politiker stehen nicht abseits und heizen unsere Wut noch kräftig an – wie der SPD-Vize Ralf Stegner, der sofort die Vermutung nachschob, dass mit dem Kanalgeld möglicherweise auch Terror finanziert werden könnte.

Der beipflichtende Aufschrei der Politiker sollte uns misstrauisch machen. Handelt es sich bei dem Drama um die „Panama-Papiere“ am Ende gar ebenfalls nur um eine schwarze Komödie, die uns vom eigentlich Erschreckenden ablenken soll?

Alle paar Jahre wird uns irgendeine Steuer-Oase vorgeführt, welche die Akteure dann mit großem Mediengetöse trockenlegen. Vor allem die USA hauen auf die Pauke, wie wir uns am Beispiel der Schweiz erinnern können. Eigen­artigerweise ändert sich am Gesamtproblem der globalen Steuerflucht aber nichts, gibt es nach wie vor keine strafbewehrte internationale Regelung, die solche Kniffe ein für alle Mal abstellt.

Mag das vielleicht daran liegen, dass ausgerechnet die Amis auf ihrem eigenen Gebiet Steuer-Oasen in Delaware und anderswo angelegt haben, die ebenfalls eif­rig um die Milliarden nichtamerikanischer Anleger buhlen? Verbirgt sich unter dem biederen Spitzenhäubchen der „Steuergerechtigkeit“ nichts anderes als ein beinharter Wettkampf konkurrierender Oasen?

Jedenfalls bleiben nicht bloß Delaware und Co. völlig unbehelligt. Auch dürfen Weltkonzerne ihre in Deutschland gemachten Milliardengewinne unter den gänzlich ungerümpften Nasen unserer Politiker ins Ausland schummeln, derweil Stegner und seine Kollegen auf Privatleute losgehen, die ihr Geld in die Schweiz oder nach Panama schmuggeln.

Die Schummelei mit den Gewinnen funktioniert nach ganz simplen Tricks wie diesem hier: Der Konzern gründet eine Tochterfirma in der Steuer-Oase. An diese Tochter überträgt er dann seine Namensrechte. Daher muss das Unternehmen ab sofort Gebühren an die Scheinfirma in der Oase dafür bezahlen, dass es seinen eigenen Markennamen in Deutschland weiter benutzen darf. Die Höhe der Gebühren ist frei aushandelbar und entspricht – welch Zufall! – exakt dem Unternehmensgewinn, weshalb der Konzern in Deutschland auf dem Papier keinerlei Gewinn mehr macht. Und wo kein Gewinn anfällt, ist auch keine Steuer fällig. Fertig ist der Lack.

Niemand soll uns erzählen, dass es keine gesetzliche Möglichkeit gibt, diesem Schmu ein Ende zu machen. Man will es vermutlich einfach nicht. Aus gutem Grund: Welcher Politiker möchte sich schon auf dem nächsten Bilderberger-Treffen oder an der Hotelbar in Davos als Spielverderber beschimpfen lassen? Schließlich winken später, wenn man nicht mehr im Amt ist und die Leute nicht mehr so genau hingucken, phantastische Redner-Honorare, die natürlich nichts damit zu tun haben, was man als Politiker vorher getrieben oder eben vermieden hat.

Allerdings sollte man beim Absahnen behutsam vorgehen. Ex-Arbeitsminister Walter Riester etwa hatte der Versicherungsbranche mit der „Riester-Rente“ ein sagenhaftes Geschenk gemacht, für das seit mehr als zehn Jahren Millionen Versicherte bluten müssen. Als er sich später allzu sehr mit der beschenkten Branche einließ, räusperte sich die Anti-Korruptions-Gruppe „Transparency International“ derart laut, dass es schon ein wenig peinlich wurde für den Renten-Riester.

Aber sei’s drum: Die gewöhnlichen heimischen Steuervermeider trifft man weder in Davos zum Weltwirtschafts-Gipfel noch beim Bilderberger-Treffen. Von denen dürfen daher ab und zu welche durchs Dorf gejagt werden, damit alle sehen können, dass „die Politik etwas tut für mehr Steuergerechtigkeit“.

Bei Otto Normalbürger zeigt der Staat nun mal gern seine ganze Härte, besonders, wenn es ums Eintreiben von Steuern und Abgaben geht, wie der Fall Sieglinde Baumert allen vor Augen geführt hat. Weil sich die 46-jährige Thüringerin weigert, die „Demokratie-Abgabe“ für den Staatsfunk zu entrichten, hatte man sie schon am 4. Februar ins Gefängnis geworfen, wie ganz Deutschland dieser Tage erfahren musste. 

Musste? Nein, sollte! Am Beispiel der tapferen Frau sollen alle Deutschen erfahren, was ihnen blüht, wenn sie nicht für den teuersten Staatsfunk der ganzen Welt bezahlen. Um zu zeigen, dass es jeden treffen kann, auch Prominente, wurde zudem der AfD-Politikerin Beatrix von Storch wegen GEZ-Verweigerung das Konto gepfändet.

Allerdings waren die Reaktionen aus dem Volk auf die Inhaftierung von Sieglinde Baumert nicht ganz so geraten, wie es sich der MDR erhofft hatte. Nach einem bundesweiten Sturm der Entrüstung zog der Staatssender den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurück, Sieglinde Baumert kam Montag frei. Die Forderung an sie bleibt jedoch 30 Jahre bestehen, und in drei Jahren kann sie schon wieder in Beugehaft genommen werden.

Die Thüringerin ist beileibe kein Einzelfall. „4,5 Millionen Beitragskonten waren am Stichtag 31.12.2014 in Mahnverfahren oder Vollstreckung“, zitiert eine Zeitung Christian Greuel, den „Sprecher der Beitragskommunikation von ARD/ZDF/Deutschlandradio“.

Also das muss man denen ja lassen: Die Formulierungskünste der Staatssender ließen jeden Propagandaminister vor Neid erblassen. Wenn jedem Haushalt, egal ob er Rundfunkgeräte besitzt oder nicht (wie Sieglinde Baumert), 17,50 Euro pro Monat abgepresst werden, nennen sie das „Demokratie-Abgabe“. Den Eintreibedienst haben sie „Beitragsservice“ getauft. Und wenn eine Frau an ihrem Arbeitsplatz von einem Gerichtsvollzieher in Begleitung zweier Polizisten abgeführt und noch am selben Tag in den Kerker geworfen wird, dann heißt das – „Kommunikation“?

Auf sowas muss man mal kommen! Geht das noch als Euphemismus durch oder ist es bereits Vergewaltigung von Wörtern? 

Sollte in diesem Land die Todesstrafe wieder eingeführt werden, dürfte es diesen Staatssendern ein Leichtes sein, die drakonische Maßnahme als Ausdruck purer Einfühlsamkeit zu verkaufen, etwa so: Es geht keinesfalls darum, den Verurteilten besonders hart zu bestrafen. Vielmehr wollen ihm seine Betreuer eine zweite Chance geben, eine Chance zur Läuterung. Zu diesem Zweck bringt ihn der Scharfrichter morgen früh „näher zu Gott“.





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