14. Mai, 2013 von
Revolutionen ohne Exzesse gibt es nicht, mahnt Jakob Augstein die
Spießer von heute. In der Positionen des vermeintlichen Aufklärers wirbt
er um Verständnis für die Libertinagen der sexuellen Revolution.
Beim
Lesen seiner seltsamen Verteidigungsschrift für Daniel Cohn-Bendit dachte
ich an den Begriff „Kollateralschaden“. Es hat vielleicht ein paar
Kinder erwischt. Sei’s drum! Bisher hat sich keiner beschwert. Ohne den
Einsatz damals könnten wir heute keine Früchte der sexuellen Befreiung
ernten.
Es geht nicht um den Einzelfall und es gibt einen Unterschied
zwischen den schrecklichen Missbrauchsfällen in der Kirche und der Lage
der Linken in den 70er und 80er Jahren. In der Kirche gab und gibt es
viel zu viele Leute, die sich nicht an das halten, was in ihr gilt.
(Theologisch gesprochen: Alle Menschenkinder sind Sünder.) In Teilen der
linken Szene war der Einsatz für die Entkriminalisierung der
Pädosexualität Programm (siehe dazu hier oder auch den willkommenen Aufarbeitungsartikel der TAZ).
Gelten sollte, was entlastet: Sex mit Kindern sei „für beide Teile
angenehm, produktiv, entwicklungsfördernd, kurz: positiv“ (DIE WELT vom 20. März 1985, S.4, hier zitiert). Berufen
konnten sich die Kämpfer für die Freiheit der Kinder auf große
Linksintellektuelle wie Jean-Paul Sartre, Michel Foucault, Simone de
Beauvoir, Gilles Deleuze oder Herbert Marcuse. Nicht nur die
Sexualmoral, sondern auch die Familie galt als repressives System, das
aufzusprengen sei.
Matthias Kamann verweist in seinem Beitrag „Zeitgeist förderte bei Grünen gefährliche Tendenzen“ auf diese Doppelmoral:
Auf dem Höhepunkt des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche versuchte im Februar 2010 der damalige Augsburger Bischof Walter Mixa die Verbreitung von Pädophilie bei Priestern zu erklären. Mixa sagte: “Die sogenannte sexuelle Revolution, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde, ist daran sicher nicht unschuldig.”Heftig widersprach ihm damals Grünen-Chefin Claudia Roth: “Es ist nicht nur haarsträubend, sondern auch eine beispiellose Verhöhnung der Opfer sexuellen Missbrauchs, wenn an diesem Skandal innerhalb der katholischen Kirche nun andere schuld sein sollen.” Die anderen Bischöfe, so Roth in der “Augsburger Allgemeinen”, müssten sich “in aller Schärfe von diesen Entlastungsversuchen ihres Bischofs zu distanzieren”.Falls Roth dies ernst gemeint hat, stehen die Grünen heute vor einem Problem.
Warum eigentlich erst heute? Nun, die Kultur des Zeitgeistes
erstickte früher den Protest. Große Denker und die Masse hatten sich
ziemlich verrannt, schufen ein Klima, in dem die Namen für das Böse
nicht mehr genannt werden durften. Wer nicht einverstanden war, galt als
Spießer.
Was werden wir wohl in 40 Jahren über die Umbrüchen sagen, deren Zeuge wir heute sind?
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