Samstag, 25. Mai 2013

Sanfte Umdeutung des Evangeliums

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Rob Bell versteht es meisterhaft, die Botschaft der Bibel sanft umzudeuten. Als eindrückliches Beispiel für das »Reframing« des biblischen Evangeliums lässt sich seine Auslegung von Matthäus 14,22–36 anführen. In diesem Abschnitt erzählt der Evangelist Matthäus, wie Jesus auf dem See seinen Jüngern entgegengeht. Die Schüler erschracken und schrieen vor Furcht. Nachdem Jesus sich zu erkennen gab, sprach Petrus: »Herr, wenn du es bist, so heisse mich über das Wasser zu dir kommen!« (14,29). Weiter lesen wir (14,28–31):
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Er sprach: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot, und er konnte auf dem Wasser gehen und ging auf Jesus zu. Als er aber den Wind spürte, fürchtete er sich, und als er zu sinken begann, schrie er: Herr, rette mich! Sogleich streckte Jesus seine Hand aus, hielt ihn fest, und er sagt zu ihm: Du Kleingläubiger! Warum hast du gezweifelt?
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Traditionell wird diese Episode so verstanden, dass Petrus Jesus nicht glaubte und deshalb unterzugehen drohte. Der Apostel nahm die Elemente dieser Welt und sich selbst wichtiger als Jesus und seine Zusage »Komm!«. Rob bricht mit dieser Auslegungstradition und behauptet, das mangelnde Selbstvertrauen des Petrus sei das eigentliche Problem gewesen. Petrus zweifelte an sich selbst. Hätte er an sich selbst geglaubt, seine Selbstzweifel also überwunden, hätte er trotz starken Windes auf dem Wasser gehen können.
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Nun gäbe es ›exegetisch‹ viel über diese Textinterpretation zu sagen. Ich will hier nur darauf verweisen, dass es ja gerade das Errettende an der Botschaft des Evangeliums ist, dass die Hilfe von außen an uns herantritt. Die Lösungen für unsere Nöte liegen nicht in uns oder dem Appell, an uns zu glauben, sondern außerhalb von uns bei Jesus Christus. Die Quelle für eine geheilte Gottesbeziehung und ein gelingendes Leben ist nicht im Subjekt zu finden (lat. in nobis), sondern außerhalb von uns in Jesus Christus (lat. extra nos). Es ist Christus, der uns – um im Bild zu bleiben – mit seiner Hand rettet.
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Der Glaube an sich selbst mag dabei helfen, über Glassplitter zu gehen. Das Unmögliche, nämlich auf dem Wasser laufen, wird auch einem Menschen mit überstarkem Selbstvertrauen unmöglich bleiben. Genau das ist Evangelium: Gott tritt in das Leben von Menschen hinein, die an sich selbst zweifeln. Gerade jener, der von sich selbst enttäuscht ist, also an sich verzweifelt, wird bei Jesus Rettung finden, wenn er ihm vertraut. Auf das »Herr, rette mich!« kommt es an. Wer das glaubt, kann bekennen: »Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!« (Matthäus 14,33).
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Wie wunderbar hat doch Calvin im Ersten Buch seiner Institutio dazu geschrieben:
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Wir empfinden unsere Unwissenheit, Eitelkeit, Armut, Schwachheit, unsere Bosheit und Verderbnis – und so kommen wir zu der Erkenntnis, dass nur in dem Herrn das wahre Licht der Weisheit, wirkliche Kraft und Tugend, unermesslicher Reichtum an allem Gut und reine Gerechtigkeit zu finden ist. So bringt uns gerade unser Elend dahin, Gottes Güter zu betrachten, und wir kommen erst dann dazu, uns ernstlich nach ihm auszustrecken, wenn wir angefangen haben, uns selber zu missfallen. Denn (von Natur) hat jeder Mensch viel mehr Freude daran, sich auf sich selber zu verlassen, und das gelingt ihm auch durchaus – solange er sich selber noch nicht kennt, also mit seinen Fähigkeiten zufrieden ist und nichts von seinem Elende weiß oder wissen will. Wer sich also selbst erkennt, der wird dadurch nicht nur angeregt, Gott zu suchen, sondern gewissermaßen mit der Hand geleitet, ihn zu finden.
 
Theo-Blog
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