Montag, 20. Mai 2013

Arabischer Frühling wird zum Albtraum

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Istanbul/Bagdad/Tunis/Kairo (idea) - Ein lang anhaltender und immer brutaler werdender Bürgerkrieg in Syrien, zunehmender islamischer Extremismus etwa in Tunesien, ständig wiederkehrende Angriffe auf Kopten in Ägypten - der zunächst vielversprechende Arabische Frühling ist für Christen im Nahen Osten und Nordafrika zum Alptraum geworden.

Hunderttausende sind bereits vor Terror und Gewalt geflohen. Alarm schlägt jetzt auch der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. (Istanbul), Ehrenoberhaupt von weltweit rund 300 Millionen orthodoxen Kirchenmitgliedern. „Religiöse Gewalt, Hass und fehlende Toleranz gegenüber Christen dominieren weiterhin in den Ländern der Revolution“, schreibt er in der in Mailand erscheinenden katholischen Zeitung „Avvenire“ (Das Kommende). In Syrien seien Christen aller Konfessionen täglich von Mord und Entführungen bedroht, obwohl sie sich im Bürgerkrieg neutral verhielten und lediglich in Ruhe leben wollten. Mehr als 80.000 Tote hat der Konflikt in bisher gut zwei Jahren gefordert. Über vier Millionen Menschen – etwa ein Viertel der Bevölkerung – sind auf der Flucht; davon befinden sich 1,25 Millionen im Ausland, vor allem in der Türkei, dem Libanon und Jordanien.
 
 
Patriarch: Der Westen trägt eine Mitschuld
Der syrisch-katholische Patriarch Ignatios Yousef III. Younan gibt dem Westen eine Mitschuld an der Tragödie. Diese Länder wollten Syrien und andere nahöstliche Länder spalten, sagte er der US-amerikanischen katholischen Nachrichtenagentur CNS (Washington). Die westlichen Nationen hätten von Beginn an betont, dass das Assad-Regime fallen müsse. Doch in den 25 Monaten des Bürgerkriegs sei die Situation immer schlimmer geworden. Die Kirchen stünden nicht auf Seiten des Regimes, betont der Patriarch, sondern auf Seiten des Volkes. Sie hätten immer „echte Reformen“ gefordert, aber einen Sturz des Machthabers Baschir al-Assad nicht als Lösung angesehen. Denn dann bestehe die Gefahr, dass radikal-islamische Kräfte an die Macht kommen, wie bereits das Beispiel Ägypten zeige.
 
 
Was geschieht mit entführten Bischöfen?
Unklar bleibt das Schicksal der vor einem Monat verschleppten Kirchenleiter. Der syrisch-orthodoxe Erzbischof von Aleppo, Mor Gregorios Yohanna Ibrahim, und der griechisch-orthodoxe Erzbischof von Aleppo und Iskenderun, Boulos Yazigi, waren am 22. April auf dem von der Grenze zur Türkei nach Aleppo, als ihr Wagen von einer bewaffneten Gruppe gestoppt wurde. Der Fahrer wurde ermordet, während die Erzbischöfe unversehrt geblieben sein sollen. Als Gegenleistung für ihre Freilassung verlangten die zur Opposition gegen das Assad-Regime gehörenden Entführer angeblich, dass Rebellen aus der Haft entlassen werden. Doch dabei handelte es sich nach Angaben des christlichen Oppositionspolitikers Michel Kilo um ein Verwirrspiel. Vielmehr habe der syrische Geheimdienst die Entführung eingefädelt, weil sich die Bischöfe geweigert hätten, die Aufstellung christlicher Milizen zuzulassen, die auf der Seite der Regierung kämpfen sollten. Für die Verschleppung habe sich der Geheimdienst die Dienste einer Rebellengruppe „gekauft“.
 
 
Schweigemarsch in Jordanien
Im benachbarten Jordanien wollen Christen aller Konfessionen am 21. Mai mit einem Schweigemarsch in der Hauptstadt Amman für die Freilassung der syrischen Bischöfe demonstrieren. Viele der rund 2,3 Millionen Christen in Syrien sind bereits geflohen. Von den 21 Millionen Einwohnern waren vor dem Bürgerkrieg 90 Prozent Muslime und 6,3 Prozent Christen, davon jeweils drei Prozent Katholiken und Orthodoxe plus kleine Gruppen von Protestanten. Die übrige Bevölkerung bestand aus Nichtreligiösen oder Anhängern anderer Religionen.
 
 
Tunesien: Regierung geht gegen Terroristen vor
In Tunesien verschärfen sich die Spannungen zwischen der gemäßigt islamischen Regierung und radikalen muslimischen Gruppierungen. Sicherheitskräfte gehen insbesondere gegen die Gruppe „Ansar al-Scharia“ vor, die laut Regierungschef Ali Larayedh in Terrorismus verstrickt ist. Sie soll Verbindungen zum Terrornetzwerk El Kaida unterhalten. Nachdem die Islamisten am 19. Mai in einem Vorort der Hauptstadt Tunis Straßenblockaden erreichtet hatten, gingen Polizei und Militär mit Tränengas und Gummigeschossen gegen sie vor. Etwa 98 Prozent der rund zehn Millionen Einwohner des nordafrikanischen Landes sind Muslime. Christen und Juden bilden kleine Minderheiten.
 
 
Ägypten: Militante Muslime verwüsten Kirchen
In Ägypten ist es Mitte Mai erneut zu Ausschreitungen muslimischer Extremisten gegen Christen gekommen. Nach Angaben der Assyrischen Internationalen Nachrichtenagentur AINA wurde die koptisch-orthodoxe Marienkirche im Ort Dakhela westlich der Hafenstadt Alexandria mit Molotow-Cocktails angegriffen und die Fenster mit Steinen eingeworfen. Der 36 Jahre alte Kopte Sedky Sherif, Vater von drei Kindern, sei getötet und mehrere andere verletzt worden. Auslöser seien Anschuldigungen gewesen, dass eine Muslimin beleidigt worden sei. Auch im oberägyptischen Dorf Menbal sei eine koptische Kirche von Muslimen verwüstet worden. Sie hätten gedroht, die Christen vertreiben zu wollen. Unter den rund 83 Millionen mehrheitlich muslimischen Einwohnern Ägyptens bilden die schätzungsweise zu zehn Millionen Kopten die größte religiöse Minderheit. Hinzu kommen etwa 200.000 Katholiken, 40.000 Griechisch-Orthodoxe und 30.000 Protestanten.
 
 
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