Dienstag, 25. Januar 2011

Detlef Alsbach: Ich möchte Ausländer werden!

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Sehr geehrte Frau Dr. Angela Merkel, 

ich bitte um Ihre Hilfe, die Sie mir hoffentlich nicht versagen werden. Ich möchte Ausländer werden! Und zwar ein klassischer Ausländer. Hier in Deutschland kommt niemand auf die Idee, einen Schweizer oder Luxemburger oder einen Briten als Ausländer zu bezeichnen, nein, ich meine einen klassischen Ausländer wie z.B. einen Türken, Iraker, Iraner, Tunesier oder Marokkaner. Araber und Afrikaner müssten noch aufgezählt werden, aber da wäre dann die Liste zu lang. Ich möchte Türke werden. Es gibt in diesem Land so viele Türken, da ist es nur legitim und auch wohl solidarisch, wenn ich Türke werde. Eine wichtige Voraussetzung, Türke zu werden, habe ich ja schon: ich spreche kein Wort türkisch. Also die besten Voraussetzungen. 

Dieser Wunsch hat sich sukzessiv gebildet, es gab immer wieder Dinge in meinem Leben, wo ich gemerkt habe, dass es von Nachteil ist, Deutscher zu sein und von Vorteil ist, Ausländer (klassisch) zu sein. Das tägliche Leben wird einem erheblich erleichtert, wenn man Ausländer ist. 

Es gibt unermessliche Vorteile bei der Bundesagentur für Arbeit, bei Behörden und sogar bei Meinungsverschiedenheiten. Wenn ich Türke bin, kann ich zum Arbeitsamt gehen und die Welt ist wieder in Ordnung. Denn immer wenn ich als Deutscher dorthin ging, durfte ich froh sein, wenn man mich höflich grüßte. Wenn ich als Türke dahin komme und man unhöflich ist, kann ich den Sachbearbeiter oder wen auch immer als ausländerfeindlich beschimpfen. Das klappt immer. Und schon werde ich in Ruhe gelassen. Wenn man als Deutscher einen Antrag, egal bei welchem Amt, falsch ausfüllt, muss man nochmals ran, sich dann wieder erneut in der Schlange anstellen und warten. Als Ausländer ist das anders, da kann ein Antrag doch einfach so ausgefüllt werden. Fehler: egal. Der Sachbearbeiter wird sich mehr als bemühen, denn es droht ja immerhin die pauschale Keule der Ausländerfeindlichkeit. 

Mir ist es selber passiert, dass mir eine junge Frau mit Kinderwagen, sie trug ein Kopftuch und unterhielt sich in einer mir absolut fremden Sprache, ich denke es war türkisch, in die Hacken fuhr. Das tat höllisch weh. Ich habe die Frau angesprochen, dass sie gefälligst aufpassen solle. Weil ich dies sagte, wurde ich als ausländerfeindlich beschimpft. Sie drohte mir, dass Ali gleich kommen würde und mir Rassist eins in die Fresse gibt. 

Ich hoffe, dass Sie nun langsam Verständnis für meinen Wunsch bekommen, Ausländer werden zu wollen.  

Gerade die neue Situation als Ausländer bringt für mich beim Gang zum Arbeitsamt nur noch Vorteile, in deren Genuss ich dann komme. Niemand macht mehr Ärger, wenn ich eine Arbeit ablehne. Es sind keinerlei Gegenargumente zu erwarten, keinerlei Einwände, denn es besteht ja die Möglichkeit, den Sachbearbeiter mit einer Ausländerfeindlichkeit zu konfrontieren. Dieses universelle Argument kann und werde ich dann immer und überall anwenden. 

Beim Sozialamt sowie beim Arbeitsamt gibt es alle möglichen Unterlagen in dann meiner neuen Sprache, jeder dort wurde auf die speziellen Ausländerbedürfnisse geschult. So werde ich dann hoffentlich über alle mir zustehende finanzielle Unterstützungen informiert.  

Im täglichen Leben hat das Dasein eines Ausländers erhebliche Vorteile, denn man kann Meinungsverschiedenheit abblocken, indem man das Argument verwendet, wer nicht meiner Meinung ist, ist ausländerfeindlich. Kaum ein Bundesbürger wird an mir als Person oder an meinem zukünftigen Verhalten Kritik üben, ist doch jegliche Kritik ausländerfeindlich. 

Kulinarisch bevorzuge ich die deutsche Küche und gehe sehr gerne in deutsche Speiselokale, die zwar sehr selten geworden sind, aber ich komme langsam in die Situation, ob ich nicht jetzt ausländerfeindlich bin, weil ich gezielt in ein deutsches Lokal gehe und nicht in ein ausländisches Lokal. Auch das ist ein Grund, Ausländer zu werden. Als Ausländer kann ich jedes Lokal besuchen, ohne ausländerfeindlich zu sein. 

Und wenn ich Türke geworden bin, konvertiere ich zum Islam. Das mache deshalb, weil da so viele tolle Dinge drinstehen, so, dass man seine Frau züchtigen darf. Dann zeige ich meiner Frau aber, wo der Hammer hängt. Wollte ich schon immer mal. Mal ehrlich, ich habe nichts gegen Frauenfeindlichkeit, ist mir egal. Ich wechsele die Seiten und dann habe ich nur noch Vorteile. Soll meine Frau sehen, wie sie damit klar kommt. Dann gilt der Koran, da lasse ich keine Diskussionen zu. 

Ich kann es fast fühlen, dass in Ihnen auch der Wunsch wach wird, Ausländer zu werden. Dafür habe ich Verständnis. 

Als Ausländer und bald als Moslem kann ich die Abschaffung aller christlichen Symbole verlangen, weil sie mich dann beleidigen und meinen Glauben verletzen. Darauf muss dann Rücksicht genommen werden. Und vielleicht wird es mir sogar gelingen, diesen heidnisch anmutenden Brauch des Karnevals feiern zu beseitigen, bei dem sogar in Köln die Prinzenproklamation zelebriert wird, ein Relikt aus der Nazizeit. 

Ehrlich gesagt fühle ich mich als Ausländer dann sogar beleidigt und erniedrigt, wenn ich eine deutsche Fahne sehe oder wenn ich die deutsche Nationalhymne höre. Ich werde dann das deutsche Volk bitten, auf diese Beleidigungen und Erniedrigungen zu reagieren. Da erwarte ich dann einfach Rücksicht. 

Schön wird auch die Toleranz sein, die ich in Zukunft erwarten werde, denn wenn ich Türke und Moslem bin, kann ich meinen neuen Glauben vertreten und leben, meine Frau wird dann hoffentlich bald die Burka oder ein Kopftuch tragen, denn mal ehrlich, die lüsternen Blicke der dann Ungläubigen beleidigen meine Ehre schon. Schön länger habe ich den Verdacht, dass meine Frau der Anlass ist, eben weil sie nicht ein Kopftuch trägt, dass Männer sich durch diesen fast entblößenden Anblick aufgefordert fühlen, ihr Avancen zu machen. 

Immer wieder redet man von der Integration von Ausländern, insbesondere von Türken, weil die in Deutschland zahlenmäßig am meisten vertreten sind. Von der Integration von Schweizern redet hier niemand. Weil gerade die gesamte Politik auf die Integration von Türken fixiert ist, möchte ich Türke werden. Ich werde dann mit offenen Armen überall empfangen. Darauf freue ich mich. Dann kann ich fordern, was das Zeug hält, denn dann kann man mir doch nichts mehr abschlagen. 

Ich bitte Sie, mir zu helfen, wie ich nun bald Türke werden kann. Ich möchte kein Deutscher mehr sein, schäme mich sogar, Deutscher zu sein. Gibt es Hoffnung für meinen Wunsch? Was muss ich machen? 


Mit freundlichen Grüßen
Detlef Alsbach, Köln 


(Der Autor des Offenen Briefes an Angela Merkel ist von Beruf Immobiienkaufmann, 51 Jahre alt, verheiratet, sieht nach eigener Einschätzung “blendend” aus, auch wenn er sich “etwas zu schwer fühlt”. Zur Zeit schreibt er ein Buch über China und die Menschenrechte.) 

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