Samstag, 29. Januar 2011

Wie man geschickt Antisemitismus unters Volk streut

Ein türkischer James-Bond-Klon reist nach Israel, um die Verantwortlichen für den Angriff auf die Gaza-Flottille zu massakrieren: Der Kinofilm "Tal der Wölfe - Palästina" soll die Rachegelüste der Türken befriedigen - und provoziert mit antisemitischen Untertönen.

Der Trailer könnte reißerischer nicht sein: Da wird geballert und gebombt, gemordet und gefoltert, zwischendurch giften Schurken, spricht der Held markige Worte. Für den 28. Januar 2011 verspricht schließlich ein Schriftzug ein grandioses Kinospektakel: Dann wird "Tal der Wölfe - Palästina" in die türkischen Kinos kommen. Der Beginn einer neuen Eiszeit zwischen Israel und der Türkei dürfte auf eben jenen Tag fallen.

Denn in der neuesten Episode der in der Türkei alle Kinokassen-Rekorde brechenden "Tal der Wölfe"-Reihe legt sich Geheimagent Polat Alemdar mit einem mächtigen Feind an: mit Israel, genauer mit den Verantwortlichen für das Blutbad an Bord der Gaza-Flotilla. Anfang Mai erschossen israelische Soldaten bei der Kaperung von sechs Hilfsschiffen mit Kurs Gaza neun türkische Passagiere. Seitdem ist das ehemals gute Verhältnis zwischen Ankara und Jerusalem zerrüttet, das türkische Ego angekratzt. 
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Geheimagent Polat Alemdar soll da nun Abhilfe schaffen. Der türkische James-Bond-Verschnitt hat ausgiebig Erfahrung, was die cineastische Abrechnung mit den Widersachern der Nation angeht: Seit Jahren bekämpft er - zuerst in einer kontrovers diskutierten Fernsehserie, später dann auf der großen Leinwand - verschlagene Kurden, imperialistische Amerikaner und tumbe Araber. Auch die Israelis bekamen in der Vergangenheit nebenbei immer mal einen Hieb ab.
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Im neuen "Tal der Wölfe"-Film ist der jüdische Staat nun vollends ins Fadenkreuz der Filmemacher gerückt. Alemdar macht gleich zu Beginn klar, dass der Judenstaat in seinen Augen keine Existenzberechtigung hat. Als er bei der Einreise nach dem Grund seines Aufenthaltes in Israel gefragt wird, antwortet er: "Nicht nach Israel reise ich ein, sondern nach Palästina."
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In einer anderen Szene des Trailers, der seit Kurzem in türkischen Kinos läuft, wird Alemdar von einem Israeli bedroht. Er werde das dem Volk Israel versprochene Land nicht lebend verlassen, wird dem türkischen Bond prophezeit. Alemdar darauf: "Ich weiß nicht, welcher Teil dieses Landes dir versprochen wurde. Ich verspreche dir ein tiefes Grab."

Türkischer Rächer gegen den Bösewicht biblischen Formats
In Israel ist man entsprechend empört: "Die Israelis werden als Nation von Mördern dargestellt, die auf den Leichen von Palästinensern Groß-Israel bauen wollen", beschwert sich das Massenblatt "Yedioth Ahronoth". Der mit einem Budget von zehn Millionen Dollar teuerste türkische Film aller Zeiten werde das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und Israel weiter belasten, sagt die Zeitung voraus.
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Wie genau das Drama seinen Lauf nimmt, ist noch Betriebsgeheimnis der Produktionsfirma Pana Film. Der Plot scheint jedoch stark an Steven Spielbergs "München" angelehnt, bei dem ein israelisches Kommando Mann für Mann die für das Olympia-Attentat in München verantwortlichen Palästinenser zur Strecke bringt - eine weitere Spitze gegen Israel. Alemdars israelischer Gegenspieler in "Tal der Wölfe - Palästina", ein Offizier namens Moshe Ben Eliezer, scheint ein Bösewicht biblischen Formats zu sein: Dem Vernehmen nach ermordet er unzählige Palästinenser, darunter Frauen und Kinder. Nebenbei vernichtet er ganze Dörfer und foltert jeden, der sich ihm in den Weg stellt.
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Polat Alemdar ist zweifellos der beliebteste Actionheld der Türkei. Ein bisschen Zeitgeschichte, ein wenig Rachephantasien, das ist die Formel, die "Tal der Wölfe" zum Kassenschlager gemacht hat. Den Stoff für das Drehbuch des ersten Kinofilms lieferte ein Vorfall im Norden des Irak, bei dem amerikanische Besatzungstruppen 2003 elf türkischen Soldaten Säcke über den Kopf zogen, sie verhörten und demütigten. Alemdar durfte sie rächen.
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Obwohl es damals zu heftigen Verstimmungen zwischen Ankara und Washington kam, der Film war an antiamerikanischen und antisemitischen Klischees kaum zu überbieten, sind die Macher bis heute stolz, dass ihr Gewaltfilm von mehr als 4,2 Millionen Menschen gesehen wurde.

Welle des Hasses
Ein zweiter Teil, der in Israel und Palästina spielen sollte, war offenbar schon seit Längerem geplant. Doch nach dem Angriff israelischer Soldaten auf das Gaza-Hilfsschiff Mavi Marmara am Morgen des 31. Mai wurde das Skript für "Tal der Wölfe - Palästina" komplett umgeschrieben. Die Drehbuchautoren erfüllten in der neuen Version die Träume derjenigen Türken, die seit dem Zwischenfall auf See militärische Vergeltungsmaßnahmen gegen den "Piratenstaat Israel" fordern. 

Zweieinhalb Monate vor dem Kinostart sind die Meinungen über "Tal der Wölfe -Palästina" auch in der Türkei jedoch durchaus geteilt. "Natürlich werden sich die Kinokassen füllen", schreibt etwa die Tageszeitung "Gazete Sakarya". "Das ist Kino als Mittel zur kollektiven Befriedigung, das ist virtuelle Masturbation." 

Andere äußern die Sorge, was die auf die Leinwand gebrachten Gewaltphantasie an Langzeitfolgen haben könnten. Eine "Welle des Hasses" sieht der türkische Filmkritiker Deniz Tansi auf sein Land zuschwappen: "Schon die Serie trägt dazu bei, jeden Tag den Antisemitismus in der Türkei etwas mehr unters Volk zu mischen. Der einfache Bürger, der keine Zeitungen liest und die meiste Zeit vor der Glotze verbringt, versteht die Innen- und Außenpolitik bald nur noch mittels 'Tal der Wölfe'." 

Der nationalistische und gewaltverherrlichende Tonfall, gemischt mit islamischer Nostalgie über die guten alten Zeiten des Osmanischen Reiches, in dem es noch keine vermeintlich imperialistischen Fremdkörper, keine Zionisten und keine Amerikaner gab, passe nicht in diese Zeit, in der sich die Türkei eigentlich demokratisieren und der Welt öffnen wolle, so Tansi. "Wozu brauchen wir dann noch Nachrichten, wenn wir Verschwörungstheorien und Polat Alemdar haben", schreibt der Kritiker. 

Den Machern von Pana Film kommt die Polemik daheim und in Israel durchaus gelegen, ist sie doch exzellente Gratis-Werbung. Drehbuchautor Bahadir Özdener: "Hauptsache, unser Film wird diskutiert!"
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