Donnerstag, 13. Januar 2011

Der Kampf um Rohstoffe

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von James MacDonald

Beim Aufstieg zur ökonomischen und militärischen Großmacht begeht China dieselben Fehler wie einst die USA: Auch die Chinesen gefährden die Grundpfeiler der internationalen Wirtschaftsordnung, indem sie den freien Handel und den Zugang zu Rohstoffen behindern. Wozu das führen kann, zeigt ein Blick in die Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Bei der Aufarbeitung der seit 2007 anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise konzentriert sich die öffentliche Kritik bisher auf die Banken und deren Finanzinnovationen der vergangenen 20 Jahre. Die zu Recht in Misskredit geratenen Neuerungen sind allerdings nicht die bedeutendsten Opfer der aktuellen Krise. Besorgniserregender sind die plötzlich sichtbaren Risse in den älteren Fundamenten des westlichen Wirtschaftsmodells.

Aus geopolitischer Sicht ist vor allem die Schwächung der amerikanischen Volkswirtschaft bedeutsam. Noch vor wenig mehr als einem Jahrzehnt schienen die USA ihre Führung über den Rest der Welt immer weiter auszudehnen – Amerika bestimmte das Tempo der technologischen Entwicklung und zog Investitionen aus aller Welt an. Heute sieht es so aus, als sei der wirtschaftliche Erfolg allein auf dem Boden einer gigantischen privaten und öffentlichen Verschuldung gewachsen. Erste Anzeichen einer Schwächung der Amerikaner lassen sich bereits erkennen. Beim G-20-Gipfel in Seoul war Amerika isoliert, als eine unerwartete Allianz der Asiaten und Europäer die US-Geldpolitik kritisierte. Der scheinbar unaufhaltsame Anstieg des Goldpreises von 300 Dollar im Jahr 2001 auf über 1400 Dollar im Dezember 2010 spricht Bände in Bezug auf das sinkende Vertrauen in den Dollar. Die entscheidende Frage ist: Wie lange werden die USA unter diesen Umständen ihre internationale Führungsrolle noch aufrechterhalten können? Das ist insofern entscheidend, als Amerika seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs den freien Handel garantiert, in seiner Funktion als Weltpolizist und mithilfe des Dollars als internationaler Reservewährung.

Um diese Entwicklung zu verstehen, muss man sich die Geschichte des ausgehenden 19. und des frühen 20. Jahrhunderts vor Augen führen – der ersten Epoche der Globalisierung. Der wachsende Wohlstand der Nationen und die industrielle Revolution setzten einen breiten internationalen Strom von Gütern, Menschen und Kapital in Bewegung. Der Welthandel hatte sich in den 40 Jahren vor dem Ersten Weltkrieg verdreifacht, rund 35 Millionen Menschen kehrten Europa den Rücken zu, Großbritannien investierte bis zu 7 Prozent seines Nationaleinkommens in Übersee – ein Wert, den seither kein anderes Land mehr erreicht hat. Dieser breite Strom von Gütern und Kapital wurde militärisch durch die großen Imperien Europas und finanziell durch den Goldstandard geschützt, der die Volkswirtschaften in einem System fester Wechselkurse verknüpfte.

Freilich hat dieses rosafarbene Bild auch dunkle Flecken. Allein die Existenz solcher Imperien begründete eine offene Bruchlinie in der Weltwirtschaft. Fünf Jahrzehnte lang behauptete Großbritannien nach der Schlacht bei Waterloo 1815 unangefochten die wirtschaftliche und geopolitische Führungsrolle. Anschließend löste der Aufstieg internationaler Konkurrenten ein neuerliches Gerangel um den imperialen Besitz aus: Afrika wurde aufgeteilt, China in unterschiedliche Interessensphären zerlegt. Kaum hatte der Erste Weltkrieg 1914 begonnen, setzten die führenden Nationen die Abhängigkeit ihrer Gegner vom internationalen Handel als Waffe ein und schnitten den Feind von lebenswichtigen Versorgungsgütern und Rohstoffen ab.

Vom Schock des Ersten Weltkriegs hat sich die Ära der ersten Globalisierung nie wirklich erholt. In den unmittelbaren Nachkriegsjahren fand eine noch größere wirtschaftliche Umschichtung statt als während des Krieges. Deutschland und ein großer Teil Mitteleuropas versanken in einer Hyperinflation. Großbritannien dagegen ging den Weg einer Deflation, bezahlte das allerdings mit einer jahrelangen wirtschaftlichen Depression. Gegen Ende der zwanziger Jahre waren die meisten Länder zum Goldstandard zurückgekehrt und erlebten einige kostbare Jahre politischer Stabilität und ökonomischen Wachstums. Doch diese kurze Zeit des Friedens und Wohlstands hatte keine tiefen Wurzeln und endete denn auch in der Wirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre.

Geopolitisch war dieses Jahrzehnt ein Desaster. Für Erschütterung sorgte nicht nur der Zusammenbruch der Demokratie in Deutschland, sondern auch das Ende einer Weltwirtschaft, die auf freiem Warenverkehr beruhte. Der ökonomische Nationalismus erlebte eine Renaissance. Überall wurden Zollschranken errichtet, an die Stelle des Goldstandards trat ein Abwertungswettlauf der Währungen, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Großbritannien errichtete eine protektionistische Mauer und machte aus seinem Empire einen autarken Wirtschafts- und Währungsblock. Nicht anders verhielt sich Frankreich. Die Vereinigten Staaten verfügten über riesige eigene Ressourcen, so dass sie allein dadurch schon fast autark waren. Und Russland hatte sich bereits 1917 aus dem Weltwirtschaftsgeschehen verabschiedet. Deutschland dagegen war abhängig von bilateralen Handelsabkommen mit einigen Ländern Lateinamerikas und regelte seine Ein- und Ausfuhren als kompliziertes System des Warentauschs. Der Welthandel fiel in den dreißiger Jahren unter das Niveau von 1913.


Quelle Cicero
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